Eine Klausel, die bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses „auf Wunsch“ des Arbeitnehmers die Rückzahlung von Fortbildungskosten vorsieht, bezieht sich auf die in jedem Fall gleichgültige Kündigung durch den Arbeitnehmer. Die Klausel ist mit diesem Inhalt unangemessen benachteiligend gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Der Sachverhalt: Ab Oktober 2020 nahm der Beklagte bei der Klägerin die Rolle als „Mitarbeiter im Ärztlichen Dienst (Physician Assistant)“ ein. Die Klägerin ist Betreiberin von Krankenhäusern und einem Pflegezentrum. Der aus dem internationalen Sprachgebrauch übernommene Begriff Physician Assistant bezeichnet einen qualifizierten Gesundheitsberuf, der nach einem Studium auf Bachelor-Niveau ausgeübt werden kann. Mit der Kündigung des Beklagten vom 16.11.2023 endete das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.12.2023. Er nannte Überlastung als Grund für die Kündigung.
Die Parteien hatten in Form von AGB eine Weiterbildungsvereinbarung abgeschlossen, die zusätzlich zum Dienstvertrag regelte, dass der Beklagte vom 1.10.2020 bis 30.9.2023 an einem berufsbegleitenden Studium “Bachelor Physician Assistance” teilnehmen sollte. Der Beklagte beendete dieses Studium mit Erfolg. Unter § 4 der Vereinbarung wurden eine Bindungsfrist und eine Rückzahlungspflicht festgelegt. Wenn das Dienstverhältnis auf Wunsch des Mitarbeiters oder aus einem von ihm zu vertretenden Grund innerhalb von 36 Monaten nach Beendigung der Weiterbildung endet, verpflichtet sich der Mitarbeiter, die tatsächlich vom Dienstgeber übernommenen Kosten an diesen zurückzuzahlen.
Die Klägerin forderte aufgrund der Kündigung des Beklagten zu Beginn der dreijährigen Bindungsfrist gemäß § 4 Abs. 1 der Weiterbildungsvereinbarung eine Rückzahlung der von ihr getragenen Fortbildungskosten in Höhe von 29.124 €. Der Beklagte zeigte sich unwillig. Seiner Meinung nach war die Rückzahlungsklausel nicht ausreichend differenziert in Bezug auf die Beendigungstatbestände. Sie stellte demnach eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Klägerin könne sich nicht auf einen Rückforderungsanspruch gemäß § 10a AVR-Caritas stützen. Die Rückzahlungsverpflichtung werde durch die Weiterbildungsvereinbarung eigenständig und abschließend geregelt.
Der Beklagte wurde vom Arbeitsgericht zum Teil verurteilt, der Klägerin einen Betrag von 17.334 € zu zahlen. Das LAG hat das Urteil auf Berufung des Beklagten geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision wurde jedoch zum BAG zugelassen.
Die Gründe: Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 4 Abs. 1 der Weiterbildungsvereinbarung gegen den Beklagten zu.
Eine Klausel, die bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses „auf Wunsch“ des Arbeitnehmers die Rückzahlung von Fortbildungskosten vorsieht, bezieht sich auf die in jedem Fall gleichgültige Kündigung durch den Arbeitnehmer. Die Klausel ist mit diesem Inhalt unangemessen benachteiligend gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist es angesichts des abstrakt-generellen Prüfungsmaßstabs unerheblich, ob der Arbeitnehmer im konkreten Fall aus personenbedingten Gründen oder aufgrund anderer Umstände, für die die Arbeitgeberin verantwortlich ist, zur Eigenkündigung veranlasst wurde. Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB missbilligen demnach bereits das Einfügen von inhaltlich unangemessenen Formularklauseln, nicht erst deren unangemessene Anwendung im konkreten Fall (BAG 1.3.2022 – 9 AZR 260/21; 11.12.2018 – 9 AZR 383/18).
Gemäß § 306 Abs. 1 BGB bewirkt die Unwirksamkeit der Regelung, dass diese Klausel ersatzlos entfällt. Die Weiterbildungsvereinbarung bleibt unberührt und stellt die Rechtsgrundlage für die arbeitgeberseitige Finanzierung des Studiums des beklagten Arbeitnehmers sowie für die Vergütung während der Praktika dar. Die Prinzipien des Vertrauensschutzes stehen dem nicht entgegen. Es bedeutet also für die klagende Arbeitgeberin keine unzumutbare Härte im Sinne des § 306 Abs. 3 BGB, dass sie im Übrigen an der Fortbildungsvereinbarung festgehalten wird. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Rückzahlungsklausel differenzieren muss, um den Arbeitnehmer von der Rückzahlungsverpflichtung auszunehmen, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt, weil er unverschuldet nicht mehr in der Lage ist, seiner Tätigkeit nachzukommen.
Auch eine Stützung ihres Zahlungsanspruchs auf § 10a Abs. 2 S. 1 AVR-Caritas war der Klägerin nicht möglich. Wenn die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ – AVR-Caritas – Anwendung finden, kann eine Rückforderung von Fortbildungskosten nicht „ersatzweise“ auf § 10a Abs. 2 AVR-Caritas gestützt werden, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags die Gewährung einer Fortbildung und die Rückforderung der Kosten dafür auf allgemeine Geschäftsbedingungen stützen, die von § 10a AVR-Caritas abweichen. Das Verhältnis von arbeitsvertraglich vereinbarten AGB, die einer umfassenden Inhalts- und Angemessenheitsprüfung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unterliegen, zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes, deren Prüfung auf die Übereinstimmung mit der Verfassung, anderem höherrangigen zwingenden Recht oder den guten Sitten beschränkt ist, ist jedoch von grundlegender Bedeutung, weshalb die Revision zugelassen wurde.
LAG Hamm vom 13.6.2025 – 1 SLa 21/25
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