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Kündigung wegen Eigenbedarf: Die Vorstellungen des Gerichts über angemessenes Wohnen haben grundsätzlich keine Verbindlichkeit.

Die Gerichte haben grundsätzlich die Entscheidung des Vermieters zu akzeptieren, die vermietete Wohnung selbst zu nutzen oder sie einem – eng gefassten – Kreis privilegierter Dritter zur Nutzung zu überlassen, und legen diese Entscheidung des Vermieters ihrer Rechtsfindung zugrunde. Darüber hinaus sollten sie grundsätzlich den Wohnbedarf respektieren, den der Vermieter für sich oder seine Familienangehörigen als angemessen betrachtet. Die Gerichte dürfen ihre Auffassungen von angemessenem Wohnen nicht verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) setzen.

Der Sachverhalt:

Im Jahr 2006 war die Beklagte Mieterin einer Wohnung mit zwei Zimmern im dritten Stockwerk eines Berliner Mehrfamilienhauses. Der Kläger trat in das Mietverhältnis ein, indem er Eigentümer der Wohnung wurde. Er wohnt in der Wohnung direkt darüber, die ähnlich groß und geschnitten ist wie die von der Beklagten gemietete. Das Dachgeschoss des Hauses, das noch nicht ausgebaut ist, liegt über der Wohnung des Klägers. Der Kläger ist auch Eigentümer dieser beiden Einheiten: der von ihm bewohnten Wohnung und dem Dachgeschoss.

Der Kläger kündigte im November 2021 das Mietverhältnis mit der Beklagten zum 31. Juli 2022 aufgrund von Eigenbedarf. Der Kläger beabsichtige, das Dachgeschoss auszubauen und es mit seiner Wohnung im vierten Stockwerk zu verbinden. Während der Umbauarbeiten stehe ihm seine eigene Wohnung im vierten Stock nicht zur Verfügung, weshalb er die Wohnung der Beklagten im dritten Stock benötige. Er beabsichtige, die Wohnung im vierten Obergeschoss nach Abschluss der Arbeiten zu verkaufen, anstatt dorthin zurückzukehren.

Die Räumungsklage wurde vom AG akzeptiert. Das LG hat sie abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Revision des Klägers zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen.

Gründe:

Die Begründung des Berufungsgerichts lässt einen Anspruch des Klägers auf Räumung und Herausgabe der von der Beklagten gemieteten Wohnung (§ 546 Abs. 1, § 985 BGB) nicht ausschließen. Das LG hatte die nach der Rechtsprechung des BVerfG und des Senats geltenden Kriterien für das Vorliegen von Eigenbedarf gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB bereits missverstanden, einen Fall der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB angenommen und fälschlicherweise geurteilt, dass sich der Kläger rechtsmissbräuchlich auf einen Eigenbedarf berufe.

Es ist nicht erforderlich, dass der Vermieter oder eine der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist, um das Tatbestandsmerkmal des Benötigens zu erfüllen. Ein Vermieter benötigt eine Mietwohnung bereits dann i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sein (ernsthafter) Wunsch, die Wohnung zukünftig selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen, auf vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen basiert. Eine solche Interpretation ist notwendig, um der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht zu werden, die sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter zusteht.

Infolgedessen haben die Gerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nun selbst zu nutzen oder sie durch einen – eng definierten – Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu respektieren und als Grundlage ihrer Rechtsfindung heranzuziehen. Darüber hinaus sollten sie grundsätzlich den Wohnbedarf respektieren, den der Vermieter für sich oder seine Familienangehörigen als angemessen betrachtet. Daher dürfen die Gerichte nicht verbindlich ihre Auffassungen von angemessenem Wohnen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) setzen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des Benötigens der Wohnung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB entsprach diesen Maßstäben nicht. Es war fehlerhaft anzunehmen, dass der geplante Verkauf der Wohnung des Klägers unter den gegebenen Umständen der Annahme von Eigenbedarf für die Wohnung der Beklagten entgegenstehe. Die darauf basierende Kündigung sei vielmehr rechtsmissbräuchlich, da sich die Wohnverhältnisse des Klägers durch seinen beabsichtigten Umzug nicht änderten. Das Nutzungsinteresse des Vermieters – hier des Klägers – ist, anders als offenbar vom LG gemeint, auch dann zu respektieren, wenn er den Bedarfsgrund absichtlich herbeigeführt oder selbst verursacht hat. In der Fortführung des Verfahrens muss das LG noch überprüfen, ob der Wunsch nach Eigenbedarf auf ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen basiert.

BGH vom 24.9.2025 – VIII ZR 289/23

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